Logo Österreichische Gesellschaft für Handchirurgie

Durch ihre Spezialisierung auf dem Gebiet der Handchirurgie verfügen Fachärzt:innen der Fächer Allgemeinchirurgie, Kinder- und Jugendchirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie über das erforderliche Wissen, um diese komplexen Zusammenhänge.

Daher sollten Patient:innen bei Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen der Hand und der oberen Extremität unbedingt Fachärzte mit Spezialisierung in Handchirurgie aufsuchen.


Fachärzt:innen für Handchirurgie kooperieren eng mit den speziell auf dem Gebiet der Hände ausgebildeten Ergo- und Physiotherapeut:innen.

Historisches

ÖGH Johannes Hartlieb

Auf Johannes Hartlieb (1400–1468), Leibarzt der Wittelsbacher, ist das älteste deutschsprachige Werk über die Hand, Das Buch von der Hand zurückzuführen.

ÖGH_Baron Guillaume Dupuytren

Der Pathologe und Leibchirurg Ludwigs XVIII und Karl X, Baron Guillaume Dupuytren (1777–1835), beschrieb zum ersten Mal Knoten und Strangbildungen der Hohlhand als ein eigenständiges Krankheitsbild, welches als Morbus Dupuytren in die Handchirurgie einging.

ÖGH_Johannes_Hartlieb

1880 führte der Grazer Chirurg Carl Nicoladini (1847–1902) erstmals eine Sehnennaht mit Entlastung der Nahtstelle mittels einer goldenen Akupunkturnadel durch. Bereits 2 Jahre später berichtet er und 28 Jahre später sein Grazer Kollege Hacker über eine Sehnentransplantation. Auch die Modifikation einer motorischen Ersatzoperation (bei Lähmung eines Muskels) mittels eines Sehnentransplantats wurde von Nicoladini durchgeführt.

1897 beschrieb er erstmals den Daumenersatz durch eine mehrzeitige Transplantation aus der Großzehe, zweiter Zehe oder durch einen Rippenspan, der mit Bauchhaut umhüllt war (Daumenplastik). Nikoladini war somit Wegbereiter der Sehnenchirurgie und der rekonstruktiven Handchirurgie.

ÖGH Friedrich von Esmarch

Ein handchirurgischer Meilenstein gelang Friedrich von Esmarch (1823–1908) durch die Arm-Blutleere, einer Methode, die bei handchirurgischen Eingriffen heute noch Anwendung findet. Ähnlich heute angewendeter moderner handchirurgischer Methoden mit cool bags – der Krypotherapie – führte erstmals Esmarch die Kühlung von Operationswunden mit Eisbeuteln durch.

ÖGH Friedrich von Esmarch

Unter dem Einfluss von Louis Pasteur's Schriften (1822–1895) konnte der Engländer Joseph Lister (1827–1912) durch Reinigung der Hände und Tränkung der Verbände mit Phenol die Infektionsraten nach chirurgischen Eingriffen drastisch senken. Basierend auf den Erkenntnissen von Ignaz Semmelweis  (1818–1865) entwickelte er Möglichkeiten der Asepsis und Antisepsis und entdeckte die für Weichteileentzündungen verantwortlichen Streptokokken.


Das heute nur noch selten verwendete Nahtmaterial Catgut, dessen Fäden sich unter Wirkung körpereigener Enzyme innerhalb einiger Tage zersetzen, geht ebenso auf Joseph Lister zurück wie seine Erfindung des Narkose-Inhalators. Die rasche Weiterentwicklung bei Narkoseformen (Chloroform, Äther und Lachgas), zunehmend neue Erkenntnisse sowohl in Anatomie wie in der Keimreduktion und die Möglichkeit, Operationen ohne Blutung (Esmarchbinde) durchzuführen, ermöglichten die rasante Entwicklung moderner Handchirurgie.



Geschichte der internationalen Handchirurgie

Die Spezialisierung in der Handchirurgie begann um die Jahrhundertwende

Die Entwicklung der Spezialdisziplin Handchirurgie begann Anfang des 20. Jahrhunderts: amerikanische Chirurgen wie Allen Bruckner, Allen B. Kanavel (1874–1938) und Sterling Bunnell (1882–1957) begannen sich vertieft und spezifisch mit Fragen der Handchirurgie zu beschäftigen.


Allen B. Kanavels Interesse galt der Behandlung von Handinfektionen. Seine Monographie über dieses Thema (1918) wurde zum Basiswerk der Handchirurgie. Er erkannte den Zusammenhang zwischen der Eintrittspforte und Ausbreitungsbahn einer Infektion an der Hand und die Notwendigkeit der dringlichen chirurgischen Behandlung. Nicht selten war damals eine solche Infektion an der Hand Auslöser einer lebensbedrohenden Blutvergiftung.

ÖGH Sterling Bunnell

Sterling Bunnell, Captain des U.S. Army Medical Corps, der sowohl in einem Basishospital als auch an der Front in Frankreich diente und mit unzähligen Kriegsverletzungen während des 1. Weltkrieges konfrontiert war, lenkte sein gesamtes Interesse auf Fragen der rekonstruktiven Handchirurgie: Bahnbrechend und neu waren die von ihm durchgeführten Sehnen- und Nerven-Transplantationen für die Defektüberbrückung nach einer schweren Handverletzung. Er entwickelte für die Sehnenrekonstruktion die nach ihm benannten Ausziehdrahtnähte genauso wie die noch heute zum Einsatz gelangende dynamische Schiene in der ergotherapeutischen Nachbehandlung. 1944 erschien sein Buch Surgery of the Hand, das zum offiziellen Lehrbuch der U.S. Army wurde und weltweite Anerkennung fand.

1946 wurde die erste handchirurgische Gesellschaft (American Society for the Surgery of the Hand – ASSH) gegründet, wobei die vorgenannten Spezialisten Gründungsmitglieder waren. Beginnend mit der Jahrhundertwende gab es bereits im Rahmen von Kongressen aber auch bei Visitationen im Operationssaal einen regen Gedankenaustausch europäischer und amerikanischer Chirurgen.

ÖGH Lorenz Böhler

Lorenz Böhler (1885–1973) aus Wien, Pionier der Unfallchirurgie (insbesondere der Knochenbruchabteilung), der Weltruhm erlangte, besuchte bereits 1930 Sterling Bunnell. In seinem zunächst 176 Seiten umfassenden Buch Die Technik der Knochenbruchbehandlung widmete Böhler ganze 54 Seiten der Versorgung von Handverletzungen! Bis 1957 wuchs das Werk auf drei Bände und 2.500 Seiten an, wurde in acht Sprachen übersetzt und über 300 Seiten sind dem Thema Handchirurgie gewidmet: Markantes aussagekräftiges Zeichen der zunehmenden Bedeutung der Handchirurgie.

ÖGH Jörg Böhler

Sein Sohn, Jörg Böhler (1917–2005) setzte das Werk seines Vaters fort: er gründete die ersten handchirurgischen Kurse (1957), welche bis heute unter seinem Namen bzw. unter dem Namen Wiener Handkurs geführt werden und entscheidend in der Vermittlung des Basiswissen von Handchirurgie für junge Chirurgen sind.

In Frankreich wirkte Marc Iselin (1898–1987) in Nanterre, einem Vorort von Paris. 1938 verfasste er das in mehrere Sprachen übersetzte Standardwerk der Handchirurgie Chirurgie de la Main. Ab 1941 beschäftigte er sich fast ausschließlich mit Handchirurgie und organisierte 1950 die ersten, internationalen, handchirurgischen Kurse.

ÖGH Jörg Böhler

1951 gründete Erik Moberg (1905–1993) die erste europäische, handchirurgische Vereinigung: den skandinavischen Handchirurgie-Club, aus welchem später die Scandinavian Society for Surgery of the Hand hervorging.

Mobergs Interesse galt der Erforschung der Sensibilität (Gefühl, dem »fünften« Sinn) der Hand und deren Wichtigkeit bei der Handfunktion. Er entwickelte klinische Untersuchungsmethoden, um die Sensibilität zu objektivieren und die Operationsergebnisse dokumentieren zu können.

ÖGH Jörg Böhler

Fast Zeitgleich –1952 – gründeten Graham Stack (1915–1992) und Guy Pulvertraft (1907–1986) in Großbritannien zwei Handclubs, welche sich in weitere Folge zur British Society of the Hand zusammenschlossen.


Während Stack die Stack'sche Schiene für Strecksehnenverletzungen am Endglied des Fingers entwickelte, revolutionierte Pulvertaft durch seine Methode der Sehnentransplantation die Ergebnisse der Beugsehnenrekonstruktion. Beide Maßnahmen finden heute noch Anwendung.

ÖGH Guy Pulvertaft

Im deutschsprachigen Raum fand die erste handchirurgische Tagung – organisiert durch Dieter Buck-Gramcko (1927-2013) – im Oktober 1960 in Hamburg statt. Etwa zwei Jahre danach folgte die Gründung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie (DAH).

Unter der Führung von Prof. Dr. Buck-Grancko entstand 1963 im Unfallkrankenhaus Hamburg-Bergedorf die erste deutschsprachige Abteilung für Handchirurgie.

Besondere Verdienste dieses deutschen Handchirurgen sind die Neu-Klassifikation angeborener Handfehlbildungen und deren Therapie sowie die Entwicklung einer Operationsmethode zum Daumenersatz (bei Verlust oder Fehlbildung) durch den Zeigefinger, die sogenannte Poliization.

Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Handchirurgie (ÖGH)

Am 16. Juni 1990 wurde die Östereichische Gesellschaft für Handchirurgie (ÖGH) gegründet, wobei alle ordentlichen, aus Österreich stammenden Mitglieder der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie (DAH) als Gründungsmitglieder fungierten.


Der ÖGH-Vorstand setzt sich aus Vertretern der Fachrichtungen Unfallchirurgie, Plastsche, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie und Orthopädie & Orthopädische Chirurgie zusammen. Österreichs Handchirurgen sind auch bei der FESSH (Federation of European Societies for Surgery of the Hand) international vertreten.

Mission

Eine spezialisierte Ausbildung auf dem Gebiet der Handchirurgie ist unabdingbare Voraussetzung für eine handchirurgische Versorgung von Patienten auf höchstem Niveau.

Aufgabe und Zielsetzung der Österreichischen Gesellschaft für Handchirurgie (ÖGH) ist es, dem rasanten wissenschaftlichen Fortschritt zu entsprechen. Dazu ist es notwendig, Aus-/Weiterbildung und Forschung auf den Gebieten der Handverletzungen sowie Handerkrankungen ständig weiter voranzutreiben, um eine den internationalen Standards entsprechende Qualität zu gewährleisten.

Seit 1992 findet der jährliche Kongress als Frühjahrsklausurtagung im März zu einem jeweiligen Schwerpunktthema der Handchirurgie statt, ab 2009 zusammen mit den österreichischen Ergo- und Physiotherapeuten. Die Frühjahrsklausurtagung hat sich inzwischen zu einem Fixpunkt der österreichischen Handchirurgie entwickelt. In diesem Rahmen wird auch die Vollversammlung abgehalten.


2014 wurde in Hainburg im Rahmen eines Prä-Kongresses der Frühjahrsklausurtagung zum ersten Mal eine gemeinsame Tagung mit den ungarischen und slowakischen handchirurgischen Kollegen abgehalten.


Ein besonderer Erfolg der ÖGH ist der Beschluss der österreichischen Ärztekammer am 24.Februar 2010, die Spezialisierung Handchirurgie ab 1.Jänner 2011 in Österreich zu starten.


Die Internationale Gesellschaft für Handchirurgie (IFSSH) hat bereits vier österreichischen Handchirurgen den Titel „Pioneer of Hand Surgery“ verliehen:

ÖGH Prof. Millesi Pioneer of Hand Surgery

1998: Prof. Dr. H. Millesi

Internationale Gesellschaft für Handchirurgie »Pioneer of Hand Surgery«

ÖGH Prof. Dr. J. Böhler Pioneer of Hand Surgery

2001: Prof. Dr. J. Böhler

Internationale Gesellschaft für Handchirurgie »Pioneer of Hand Surgery«

ÖGH Prof. Dr. H. Piza-Katzer Pioneer of Hand Surgery

2013: Prof. Dr. H. Piza-Katzer

Internationale Gesellschaft für Handchirurgie »Pioneer of Hand Surgery«

ÖGH Dr. Pechlarner Pioneer of Hand Surgery

2016: Doz. Dr. S. Pechlaner

Internationale Gesellschaft für Handchirurgie »Pioneer of Hand Surgery«

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